Prof. Dr. Matthias Beck: Das Verhältnis von christlicher Theologie zu Naturwissenschaften und Medizin

16. Jänner 2023, 18:00 bis 19.30 Uhr

Moderation: DDr. Christian Feichtinger

Ort: online auf Zoom

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Abstract

Der Dalai Lama sagte einmal: Wenn die Naturwissenschaften etwas erforschen, was der Buddhistischen Lehre widerspricht, dann müssen wir die Lehre ändern. Ein Muslim (der wohl nicht für alle Muslime spricht) meinte an anderer Stelle: Wenn die Naturwissenschaften etwas erforschen, was dem Koran widerspricht, dann müssen die Naturwissenschaftler ihre Meinung ändern. Die christliche Position liegt in etwa dazwischen. Das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft hat sich im Laufe der Geschichte geändert. Im Kontext der Kosmologie wollte die katholische Kirche noch Kopernikus und Galileo Galilei vorschreiben, ob sich die Sonne um die Erde dreht. Man zwang Galileo, seine Thesen zu widerrufen, dass die Sonne im Zentrum stillsteht und die Erde sich bewegt.
Bestimmte Vertreter der christlichen Theologie tun sich auch heute noch schwer mit der Evolutionstheorie. Aber Schöpfung und Evolution schließen sich nicht aus. Schöpfung kann evolutiv vonstattengehen. Auch die Psychologie Sigmund Freuds hat mit der Erforschung des Unbewussten etwas ans Tageslicht gebracht, was die mittelterliche Mystik immer schon wusste, dass das Bewusstsein nur ein kleiner Teil der Interaktion von Bewusstem und Unbewusstem ist. So gibt es auch hier Ergänzungen von Psychologie und Spiritualität.
Seit dem II. Vatikanischen Konzil (1962-1965) hat die Kirche die Naturwissenschaften in ihre Eigenständigkeit entlassen. Wenn sie methodisch sauber arbeiten, sind ihre Erkenntnisse zu respektieren. Naturwissenschaftliche Aussagen und theologische Zugänge können sich sogar ergänzen. Es ist der eine göttliche Logos, der sich in der Natur zeigt (Bio-logie) und im Menschen gegenwärtig ist. Naturwissenschaftliche Zugänge haben eine andere Methode der Weltinterpretation und stellen andere Fragen als die Theologie. Das Verhältnis der Theologie zur Medizin sollte ein sehr gutes sein. Denn das Christentum ist eine heilende Religion und viele Geschichten aus dem Neuen Testament sind Heilungsgeschichten. Wir sprechen vom Heiland und vom Heilwerden (Ganzwerden) des Menschen. Hier können sich Erkenntnisse von Genetik und Epigenetik mit einer aufgeklärten Theologie sehr gut treffen.

Kurzbiographie

Matthias Beck studierte von 1976-1987 Pharmazie und Humanmedizin an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, der  LMU München sowie am Medical College in Srinagar/Indien und promovierte 1988 an der WWU Münster mit seiner Doktorarbeit zum Thema Kreuzreaktives Verhalten von Birken-, Erlen- und Haselnusspollenallergenen einerseits und Apfelallergenen andererseits. Zwischen 1987 und 1999 erlangte er Abschlüsse in Philosophie und römisch-katholischer Theologie und verfasste theologische Promotionsarbeiten zu den Themen Das Leib-Seele-Problem in der psychosomatischen Medizin und einer philosophisch-theologischen Anthropologie sowie deren Folgen für eine Krankheitsinterpretation und Seele und Kranksein. Krankheit im Spannungsfeld zwischen psychosomatischer Medizin und theologischer Anthropologie.

2002 folgte ein Forschungsaufenthalt in den USA an der Georgetown University in Washington. 2007 habilitierte er an der Universität Wien im Fach Moraltheologie mit Schwerpunkt Medizinethik mit dem Thema Mensch-Tier-Wesen und andere alternative Quellen für pluripotente Stammzellen. Seit März 2007 ist er Außerordentlicher Universitäts-Professor für Moraltheologie mit dem Schwerpunkt Medizinethik an der Universität Wien.